GottMachtPolitik – Klischee Schöpfung

Kirchenfenster mit Schöpfergott, Erdkugel und Regenbogen.

Foto: K. Mitch Hodge / Unsplash.com

Kann man über Schöpfung reden, ohne in Klischees zu verfallen? Mir fallen mehrere, sich widersprechende gleichzeitig ein. Bei Schöpfung denken meine Konfirmanden sofort an das Gegenüber von Evolution und Schöpfung. Darum soll es hier nicht gehen. Ich sehe bei dem Begriff vor meinem inneren Auge Menschen mit Tamburinen und Blumen im Haar halb bekifft durch den Wald tanzen. „Wenn ich Gott suche, gehe ich in den Wald!“ Ja, da ist er auch.

In meinem Lieblings-Klima-Podcast – Pod steh uns bei – habe ich den wesentlich weiterbringenden Satz gehört: „Wir sind Natur!“ Und zwar nicht nur, wenn wir mit Tamburinen durch den Wald tanzen, sondern auch, wenn wir in Manhattan im Auto im Stau stehen oder in Wuppertal. In diesem Sinne sehe ich mich auch als naturverbunden. Ich brauche dafür kein Waldbaden oder Survival-Seminar. Ich weiß aber, dass ich Teil von etwas Größerem, aber auch sehr Fragilem bin.

Gottes Geschenk

Nun ist aber Natur und Schöpfung zweierlei und diesen Unterschied hat die wunderbare Sarah Bosetti herrlich schön heraus gearbeitet, als sie eine Entscheidung der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) kommentierte. Ich erlebe wirklich selten, dass meine politische Bubble Kirche wahrnimmt, geschweige denn Kirchenpolitik oder Kirchenstrukturen. Als die Synode der EKD aber entschied, dass Mitarbeiter:innen zukünftig auf Dienstfahrten zu einem Tempolimit verpflichtet werden, hat meine Bubble tatsächlich aufgehorcht.

Sarah Bosetti meint dazu, dass sie das zwar alles nicht so ernst nimmt, mit dem Glauben, aber inzwischen ist ihr eigentlich egal, WARUM Leute die Welt retten, Hauptsache, sie tun es. Dann spricht Bosetti der Kirche von außen etwas zu: Ihr habt einen Grund mehr, diese Welt zu lieben, also nutzt diesen Grund doch bitte auch. Das hat mich sehr beflügelt. Ich bekam auf einmal einen Zugang zum Thema Schöpfung, der über meine Klischees weit hinaus geht: Gott hat diese Welt gemacht. Das ist Schöpfung.

Wie kann ich sie nicht als unglaublich kostbares Geschenk wahrnehmen und versuchen, mit ihr sorgsam und liebevoll umzugehen. Immerhin habe ich sie nicht von der etwas seltsamen Tante bekommen, die einem immer Dinge schenkt, die man weder braucht noch versteht, warum man sie geschenkt bekommt. Sondern der Schenkende ist Gott. Er weiß, was ich buchstäblich zum Leben brauche. Ohne ihn keine Schöpfung. Ohne Schöpfung keine Anna.

Das ist etwas, worin wir ausnahmsweise einmal uns dem Rest der Welt überlegen fühlen dürfen. Als Christinnen und Christen fühlen wir uns ja ganz schnell überlegen, meist unbegründet. Hier aber laufen tatsächlich weltliche Begründungen gerne ins Leere. Natur ist zwar ein Geschenk, weil ohne gäbe es uns nicht noch Kunst oder anderes Leben, aber die Absenderadresse des Geschenks bleibt unbesetzt.

Da schenkt dann das Universum oder der Zufall – übrigens ist das tatsächlich auch der entscheidende Unterschied der Schöpfung zur Evolution. Nicht die Frage, wann das geschah und ob es einen Urknall gab – den es nach heutiger Einsicht sehr wahrscheinlich gab. Schöpfung ist Evolution ohne Zufall, dafür mit ganz viel Liebe und Sinn eines Schöpfers, der sich über seine Kreation freut. Übrigens auch über die, die das nicht glauben, womit unsere Überlegenheit auch schon wieder dahin ist.

Kreativität

Schöpfung geht noch weiter: Im Englischen ist der lateinische Wortstamm noch erkennbar: „create“. Etwas erschaffen heißt kreativ sein. Gott war kreativ in seiner Schöpfung. Und da wir Menschen ja nach Gottes Wesen geschaffen wurden, ist auch etwas von dieser Schöpfungskraft, Kreativität in uns hineingelegt. Wir sind dazu begabt, dass wir selbst erschaffen können. Das machen wir an so vielen Stellen so verdammt gut! Nicht nur in der Kunst, auch in der Wissenschaft, in der Sprache, in täglichen Problemlösungen oder im einfachen Miteinander. Das hat leider dazu geführt, dass der Mensch sich immer wieder überschätzt. Wir meinen, unsere Kreativität könne die Grenzen der Schöpfung sprengen. Deswegen stellen wir uns ihr gegenüber. Aber wir sind Teil der Schöpfung. Unsere Kreativität geschieht immer innerhalb der Schöpfung, denn ohne Material, Begabung und Verstand können wir nichts erschaffen. Wir sind Natur, egal, wo wir sind und was wir von Tamburinen halten.

Schöpfung ist nicht anno dazumal passiert und war dann fertig. Gott hat zwar am siebten Tag sein Werkzeug in die Ecke geworfen und nochmal alles abgefeiert, was er so gemacht hat und dann gefaulenzt, aber das war doch erst der Anfang! Seither entwickelt sich die Welt ja immer weiter. Kreativität ist eine Kraft, die in allem liegt und damit ist sie auch etwas, das mir Hoffnung gibt. Hoffnung, dass doch irgendwelche Menschen Lösungen für unsere Krisen finden. Hoffnung, dass Gott mit dieser Welt noch etwas vorhat, selbst wenn wir sie an die Wand gefahren haben. Hoffnung, dass Schöpfung nicht an meinen Grenzen endet.

Praxis to go

Anna Böck. @pfarrertogo schreibt monatlich über GottMachtPolitik.

Alle Teile der Kolumne GottMachtPolitik im Überblick

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