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Ich finde es inzwischen unerträglich, wenn die nächste Aktion der Letzten Generation durch die Medien gejagt wird. Nein, ich finde nicht die Aktionen unerträglich. Ich finde die Reaktionen mancher linksgrünversifften Gutmenschen anstrengend – normalerweise ein Begriff, den ich nur auf mich selbst anwende. Was ich nicht verstehen kann, sind Aussagen, wie: „Ja, wir müssen etwas tun, aber das geht eindeutig zu weit! Ich finde die Art und Weise empörend.“ Gerne weise ich (und andere) darauf hin, dass genau diese Empörung das Ziel der Aktivist*innen ist. Nur durch Empörung scheinen Menschen überhaupt noch zuzuhören. Wir sind doch alles andere schon gewöhnt. Und es ist ja nicht so, dass die Klimabewegung nicht auch andere Mittel nutzen würde. Sie demonstrieren, rufen zu Bürgerbegehren auf, erklären sich den Mund fusselig, laden zu Vorträgen ein, inszenieren Theaterstücke und machen so viel mehr. Ändert das etwas daran, dass wir weiterhin immer schneller werden darin, auf die Kipppunkte unserer Erde zuzurennen? Nein, wir bremsen nicht ab, wir treten das Gaspedal täglich weiter durch. Keine Pandemie, keine Flutkatastrophe, kein Krieg und erst Recht nicht die tagtägliche Politik haben das bisher geändert.
Gesetzesbruch oder Bürgerpflicht?
Also greifen Aktivisti zu Gesetzesbrüchen und ich finde das gut? Steht nicht in der Bibel, dass wir der Obrigkeit Untertan sein sollen? Sogar Jesus sagt das doch! Auf die Frage, ob sie Steuern zahlen sollen, sagt Jesus den Jüngern, dass sie dem Kaiser geben sollen, was dem Kaiser gehört. Das wird so gedeutet, dass wir uns dem Staat unterordnen sollen, solange dieser nicht mit unserer Religionsausübung zusammenprallt. Denn das was Gott gehört, sollen wir laut Jesus Gott geben. Ich nenne die Taten der Aktivisti zivilen Ungehorsam. Das ist das bewusste in Kauf nehmen von – friedlichen – Gesetzesbrüchen, um auf fatalere Gesetzesbrüche einer Gesellschaft aufmerksam zu machen. In unserem Fall die Zerstörung aller Lebensgrundlagen kommender Generationen. Andere berühmte Beispiele für zivilen Ungehorsam sind die friedliche Revolution 1989 oder das Civil Rights Movement der 1960er in Amerika. Veränderung kommt selten, weil Menschen denken: „Oh! Das können wir aber besser!“ Sie kommt, wenn Menschen sich gegen den Mainstream stellen und zeigen, dass es anders geht. Selten werden die ersten dafür bejubelt. Meist werden sie für verrückt erklärt oder angefeindet. Es ist immer leichter, alles beim Alten zu belassen. Manchmal sogar für die, die unter den aktuellen Umständen leiden. Aber eine Veränderung braucht am Anfang diese Weirdos – Menschen die sich trauen, anders zu sein. Das Prinzip ist recht einfach: Am Anfang stellen sich einige hin und sagen: „Was wäre wenn…“ Sie denken nicht nur eine andere Welt, sie leben sie und zeigen anderen, wie es gehen kann. Dafür blockieren sie und sind unangenehm. Aber einige sagen dann: Ihr habt Recht! Wie kann ich Euch unterstützen? Bei jeder Aktion der Letzten Generation steigen die Spenden und die Anzahl der Freiwilligen für die nächste Aktion.
Was steht in der Bibel?
Dieses Prinzip wird in der Bibel beschrieben. Da redet Jesus davon, dass ein Senfkorn reicht, um zu einem großen Busch zu werden, in welchem die Vögel Platz haben, also auch die, die kein Teil der Bewegung sind. Oder der Sauerteig, der wächst und zu einem schmackhaften Brot führt.
Die Bibel kennt auch zivilen Ungehorsam. Wikipedia nennt die Geschichte zweier mutiger Frauen, die „nein!“ sagen. Sie sagen das nicht zu irgendjemandem, sondern dem Pharao ins Gesicht. Zur Zeit der Bibel dem mächtigsten Mann der Welt – auch wenn das einen Großteil der Welt nicht interessierte. Für die beiden Frauen konnte der Pharao gefährlich werden, aber sie weigerten sich, seinen Befehl auszuführen und alle Jungen zu töten, die in einem Haus des israelischen Volkes zur Welt kamen. In der neusten Kinderbibel meines Verlages heißt die Geschichte deshalb einfach „nein“. Andere Menschen der Bibel handeln verrückt oder gegen die Regeln, weil Gott es ihnen so sagt. Also Gott selbst fordert manchmal zivilen Ungehorsam ein. So nimmt Hosea eine Hure zur Frau und Jeremia stellt sich gegen seinen König. Rahab lässt zwei Feinde bei sich schlafen und Jonathan hintergeht seinen Vater, König Saul, um David zu helfen.
Aber was ist mit Jesu Aussage zu den Steuern? Hier sehen wir sehr deutlich, dass wir mit heutiger Brille manche Stellen der Bibel falsch verstehen müssen. Jesus sprach über den Kaiser, als wäre er ein Gegenüber zu Gott. Das war krass. Damit hat Jesus dem Kaiser seine ganze Machtgrundlage abgesprochen. Der Kaiser war Gott. Wenn Gott jemand anders ist als der Kaiser, wer ist dann schon der Kaiser? Warum ich trotzdem Steuern zahle? Das ist vermutlich einen eigenen Artikel wert, aber es hat am Ende des Tages damit zu tun, dass ich glaube, dass die Demokratie die beste Form ist, die die Menschheit bisher gefunden hat, um den Karren nicht an die Wand zu fahren. Zur Demokratie gehört auch, dass ein Teil meiner Steuern für Dinge eingesetzt werden, die ich sehr sinnvoll finde und ein Teil eben für meiner Meinung nach sinnloses. Anderen Steuerzahler*innen geht es vermutlich anders herum. Aber meine Achtung der Demokratie hat da Grenzen, wo Lobbyismus und machtgeleitetes Handeln von Politikern diesen Planeten an die Wand fährt.
Fazit
Ziviler Ungehorsam ist zahnlos, wenn er nicht empört und stört. Die Letzte Generation begann mit Hungerstreiks, die niemand ernst nahm. Das war nicht radikal genug, weil es ja nur diejenigen betraf, die streikten. Was die Letzte Genration fordert? Ein 9-Euro-Ticket, Tempolimit und einen Krisenrat aus Menschen, die gelost und ausführlich informiert werden, um dann Entscheidungen für Deutschland zu fällen.
Ich glaube, die Frage ist nicht, ob ich die Aktionen der Letzten Generation gut finde, sondern warum ich eigentlich noch nicht mitmache.
Schau, was die letzte Generation antreibt:
Anna Böck. @pfarrertogo schreibt monatlich über GottMachtPolitik.
Der größte zivile Ungehorsam im NT ist der Bruch des Sabbatgebots und dafür wird Jesus mit dem Tod bestraft. Obwohl die Pharisäer Jesus direkt auf das Sabbatgebot hinweisen, heilt Jesus trotzdem den kranken Mann und verstößt bewusst gegen das Gesetz der Juden.
Etwas anders gelagert ist die Reinigung des Tempels von den Händeln. Der Vertreiben mit einer Geißel und das Umstoßen der Tische geht über den zivilen Ungehorsam hinaus.