GottMachtPolitik – Freiheit

Kontrastreiche Krähe an einer Fensterfront aus dunklen Metallstreben

Rums! Die Tür fällt ins Schloss. Auf meiner Seite der Tür keine Klinke, keine Möglichkeit die Tür zu öffnen. Ich schaue mich im Raum um. Alles gefliest. Viel größer waren manche meiner WG- oder Wohnheimzimmer zu Studienzeiten auch nicht. Aber dort brauchte ich das Plumpsklo nicht, das eine Ecke ziert. Ich konnte die Studierendenzimmer ja verlassen. Das geht nun nicht. An der Stirnseite ist eine Erhöhung und eine Matratze, die an die Matten aus dem Sportunterricht erinnert. Ich habe nichts, um mir die Zeit zu vertreiben. Die Kontaktlinsen in meinen Augen jucken. Ich durfte sie nicht heraus nehmen. Ich setze mich erstmal. Dann sehe ich Flecke an der Decke. Kotze? Blut? Fäkalien? Man weiß es nicht. Das Fenster hat natürlich auch keine Klinke und besteht aus Milchglas. Ich bin nun also wirklich im Gefängnis. Warum? Ich stand vielleicht drei Minuten Autos an einer Ampel im Weg. Würde jeder, der einen Radweg „nur mal kurz“ zuparkt, wie ich von hinten überwältigt werden und dann eine solche Behandlung bekommen… Aber OK, bei mir besteht der Verdacht, dass ich wieder zurück gehe auf die Straße. Ich störe.

Ich war noch nie so sehr meiner Freiheit beraubt gewesen, wie in diesem Moment. Als privilegierte weiße Frau, die auch noch finanziell immer sicher dastand, hatte ich nie in meinem Leben das Gefühl, dass ich mich nicht frei bewegen könnte. Die „Beschränkungen“ der Coronazeiten sind ein Witz gegen eine Zelle, die man nicht verlassen kann. Dennoch habe ich mich selten in meinem Leben so frei gefühlt, wie in diesem Moment.

Freiheit gehört zu den Dingen, wie Gott, Liebe oder Hoffnung, die man nicht sehen kann – trotzdem sind sie da. Es gibt aber eine Art der Freiheit, die man sehr klar umschreiben kann: Das Nicht-Vorhandensein von Grenzen oder Mauern. Es gibt auch einen übertragenen Sinn der Freiheit. „Die Gedanken sind frei“ habe ich in der Zelle vor mich hingesummt. Zwischen übertragener Freiheit und meiner nicht vorhandenen Freiheit im Gewahrsam befindet sich eine Reihe vieler unterschiedlicher Freiheiten, Die mal mehr oder weniger übertragen oder konkret sind.

In den Folgetagen, in denen ich bewusst Bilder meiner Festnahme in Social Media gepostet habe, bekam ich sehr viele sehr unterschiedliche Reaktionen. Von liebevollem Support über sorgenvolle Nachfragen bis zu grundsätzlicher Ablehnung meiner Tat war alles dabei. Und hier fängt meine eigentliche Freiheit an. Ich weiß bis heute, dass es richtig war, was ich getan habe, auch wenn die Polizei neben meinen Fingerabdrücken nun sogar ein Foto meines Tattos hat. Da können auch die Kritiker nichts daran ändern. Sie haben keine Macht, meine Freiheit zu beschneiden. Genauso kann mich niemand zwingen, es nochmal zu tun, außer ich will es selbst. Übrigens wird in der Bewegung wirklich niemand gezwungen oder manipuliert, sich auf die Straße zu setzen. Man kann auch anders helfen und es gibt keine Hierarchie der Beteiligung. Ohne die anderen könnten wir nie auf die Straße gehen.

Ich weiß aber, dass mein Gefühl der Freiheit nur eine Momentaufnahme war. Denn tatsächlich bin ich im Alltag übertragen immer unfrei. Da beeinflussen mich irgendwelche Sätze aus meiner Kindheit, die Erwartungen der anderen oder auch nur die Vermutung, was die anderen denken könnten. Es hilft, nicht mehr 17 zu sein. Trotzdem weiß ich, dass vieles von dem, was ich tue, das Ergebnis vieler Einflüsse ist, von denen ich nur einen Bruchteil bewusst wahrnehme. Freiheit am Arsch!

Trotzdem ist es wert, Freiheit wertzuschätzen. Schon allein, weil es zur Würde eines jeden Menschen gehört, dass er frei sein sollte. Weil wir als Weltgemeinschaft das leider nie schaffen, gibt es gute Organisationen, die sich für die wörtliche Freiheit von Menschen einsetzen: Für moderne Sklaven oder Menschen, die ins Gefängnis müssen, weil sie sich das Nahverkehrsticket nicht leisten konnten und schwarz gefahren sind.

Aber auch in meinem Leben strebe ich nach Freiheit. Wie kann ich es schaffen, immer innerlich so frei zu sein, wie in dem Moment im Gewahrsam? Höchste Zeit, die Bibel aufzuschlagen!

Die Worte „Freiheit“ und „frei“ kommen in der Bibel seltener vor, als ich gedacht habe. Die Freiheit bei Luther beispielsweise in der ganzen Bibel 22 mal. Aber die Stellen decken sehr viel ab. Paulus beispielsweise denkt viel über die Frage nach, was eigentlich ist, wenn meine Freiheit andere einschränkt. Darum soll es heute aber nicht gehen. Wenn Jesaja (Jes 61,1) und Jesus (Lk 4,18) davon sprechen, dass Gott sie schickt, um die Gefangenen zu befreien, so geht es sicher auch um einen wörtlichen Freiheitsbegriff – aber eben auch um einen übertragenen. In Gal 5,1 schreibt Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Jesus und die Freiheit hängen sehr stark mit dem Kreuz zusammen. Eine nach außen hin völlig unfreie Situation für Jesus. Er wird abgeführt, ist der Folter der Soldaten ausgeliefert und stirbt am Ende. Seine Freiheit ist, dass er das alles auf sich nimmt, weil es notwendig ist. Jesus könnte zu jeder Zeit aussteigen und tut es aber nicht.

Ich bin nicht Jesus. Ich war in jedem Moment meines Gewahrsams sicher, nach den Maßstäben eines Rechtsstaates behandelt zu werden – und beispielsweise nicht so, wie es ein ekelhafter Typ beschrieb, der sich vor uns hinstellte, als wir darauf warteten in den Gewahrsam abgeholt zu werden: Mit Polizeiknüppeln einmal die richtigen Stellen durchprügeln. Ich war nach drei Stunden wieder frei. Dennoch macht es mich frei, zu wissen, dass der Mensch und gleichzeit der Gott über mein Leben, die Freiheit besaß, seine Freiheit abzugeben. Damit ich das nicht vergesse – die Kreuigung ist ja immerhin ein paar Jahre her – gibt es den Heiligen Geist. Der gibt mir Mut, meine Freiheit zu leben. Mut habe ich gebraucht, denn dass es nicht nur Idioten gibt, denen die vermeintliche eigene Freiheit wert ist, Gewalt bis zum Letzten anzuwenden, kann man in sehr vielen Videos beobachten. In 2. Kor 3,17 steht: „Der Herr aber, von dem dieses Wort spricht, nämlich Jesus Christus, wirkt durch seinen Geist. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“

Diese Freiheit wünsche ich mir für mein Leben. Nach ihr strecke ich mich aus. Mir hilft, dass ich dabei nicht alleine bin. Viele andere suchen eine Freiheit, die auch dann noch weht, wenn wir uns um die letzten Wasserreserven dieser Erde zoffen werden. Dass von denen die meisten weder an Jesus, noch an den Heiligen Geist glauben, macht unsere Freiheit nicht weniger kostbar.

Links:

https://www.freiheitsfonds.de/ – Hier werden Schwarzfahrende freigekauft.

https://ijm-deutschland.de/ – setzt sich gegen moderne Sklaverei ein.

Anna Böck @pfarrertogo schreibt monatlich über GottMachtPolitik.

One thought on “GottMachtPolitik – Freiheit

  1. Das Beispiel mit dem Radweg zeigt, dass unser Strafrecht auch mal überarbeitet werden müsste. Wenn ich den zuparke, wird irgendwann mein Auto abgeschleppt, was mich allenfalls in den Knast bringt, wenn ich die Kosten nicht begleichen kann.
    Unter einem Justizminister der Autopartei FDP wird das aber nix, da können wir froh sein, wenn Schwarzfahren endlich nur noch eine Ordnungswidrigkeit ist und keine Straftat.

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