Es gibt nur eine kurze Phase in unserem Leben, in der wir mehr oder weniger selbstbestimmt leben.
Ob wir in Liebe und mit Kinderwunsch gezeugt wurden oder ein Zufallsprodukt eines freiwilligen oder sogar erzwungenen Geschlechtsverkehrs sind – wir hatten das nicht geplant. Weder ob wir gezeugt werden wollten – denn wir existierten noch nicht – noch ob wir Bock auf diese Eltern, unseren Geburtsort oder die Zeit unserer Geburt haben. Also keine Selbstbestimmung.
Dann wachsen wir auf und auch hier gibt es erstmal keine Selbstbestimmung, wir werden gereinigt, gefüttert und hoffentlich geliebt, abhängig von der Entscheidung unserer Erziehungsberechtigten.
Mit zunehmendem Alter dürfen wir mehr und mehr selbst entscheiden, Fehler machen, Neues entdecken. Wenn wir uns für einen Ausbildungsabschluss entscheiden, ist er hoffentlich selbstbestimmt und wir werden nicht Metzger:in, weil Opa Hans das schon war, sondern weil wir es geil finden. Auch wenn wir unsere Freund:innen suchen und unsere Partner:innen finden, ist es hoffentlich selbstbestimmt. Hoffentlich ist das Singleleben, das Reihenhaus mit Kind und Baum, das Kinderlos-sein selbstbestimmt.
Und dann werden wir alt und gebrechlich und hilfebedürftig und müssen unsere mühsam erlernte Selbstbestimmung wieder aufgeben. Denn jetzt entscheiden Pflegende wann wir schlafen und duschen, vor allem wie oft wir duschen. Wir sind von anderen abhängig. Unser Wunsch Freunde zu besuchen oder in den Park zu gehen, ist von der Bereitschaft anderer uns hier zu unterstützen abhängig – nicht selbstbestimmt.
Fazit ist, dass wir fremdbestimmt ins Leben gegangen werden, eine (hoffentlich) lange Phase der Selbstbestimmung leben dürfen um dann wieder aus dem Leben begleitet zu werden.
Und was ist jetzt mit dem mehr oder weniger selbstbestimmten Teil?
Betrachtet man diesen Teil konstruktivistisch, sind wir alle eine biopsychosoziale Gewordenheit in ihrem kulturell religiösen Kontext.
HÄ?
Das meint, unser Umfeld, Gemeinde, Arbeit, Herkunft etc. beeinflussen unsere Werte und Normen, die unsere Entscheidungen beeinflussen. Und da ist dann noch der Wille Gottes, dem wir ja auch folgen wollen und uns dazu entscheiden unsere Entscheidungen seinem Willen anzupassen. Und was ist mit dem Leben, das passiert, obwohl wir andere Pläne (Wünsche) hatten?
Wie selbstbestimmt ist unser Leben wirklich? Das Leben können wir nicht passend biegen. Es passiert einfach. Das Leben ist nicht gerecht. Es gibt arme Menschen und es gibt ungewollt kinderhabende Menschen. Es gibt Menschen, die wollen nicht Single sein oder verwitwet. Es gibt Menschen die wollen tot sein und dürfen es nicht. Wir können nicht machen, dass wir diese Sachen nicht sind.
Sehr oft können wir nur akzeptieren, wie unser Leben läuft. Was wir auch machen können, ist uns diesem Leben zu stellen, in das wir geworfen wurden und zu entscheiden, was wir entscheiden können, in dem Radius, den wir haben.
Ich liebe das Meer. Meer entspannt mich. Meer macht mich glücklich. „Ich würde gerne aus Stuttgart weg und am Meer leben, aber das geht ja nicht.“ Das habe ich einer Freundin erzählt. Vor meinen Augen waren Südseestrände, Korallenriffe und ewiger Sonnenschein – der Chris Hemsworth unter den Meeren. Da ich nicht die Möglichkeit sah in der Südsee zu leben, war ich also verdonnert in Stuttgart zu bleiben.
Und dann sagt sie, „Weißte, so schwer ist das ja nicht. In Deutschland gibt es jede Menge Meer. Du musst halt hinziehen.“ Jetzt lebe ich am Meer und bin glücklich und es entspannt mich und auch wenn es nicht aussieht wie Palmenstrand an der Südsee, die Hauptsache ist da: das Meer.
Manchmal sehen wir nicht, was wir entscheiden können um unsere Sehnsucht zu erfüllen. Manchmal sehen wir vor lauter Fremdbestimmung (Gesellschaft, Staat, Freunde, Gott?!) nicht, was wir bestimmen können.
Mesii lebt jetzt am Meer.