Eigentlich logisch – Was tun bei Konflikten

Zwei Schaufensterpuppen, die eine ist nach vorn ausgerichtet. Die andere wendet sich ihr zu und streckt ihr abwehrend die Hand entgegen.

Foto: Viktor Talashuk / unsplash.com

Die letzten acht Jahre meines Lebens sind ein Schlachtfeld von Konflikten. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich wirklich so kaputt bin, dass ich nicht fähig bin, einen Konflikt erwachsen zu lösen. Ich habe versucht, anders an Konflikte heranzugehen und habe mich dabei verbogen. Am Ende habe ich gemerkt, dass ich mich in einem toxischen System bewege und nur verlieren konnte.

Seit August habe ich dieses System verlassen. Das hat mich einiges an Privilegien gekostet, aber ich habe einen sehr gesunden Lebensstil dafür bekommen und: Ich erlebe, wie Konflikte – oder sagen wir lieber Meinungsverschiedenheiten – erwachsen gut gelöst werden können. Ich bin weiterhin auf einer Reise, was das Thema angeht. Ich bin sicher auch nicht immer die beste Person, um Konflikte zu lösen. Aber ich stolpere voran und versuche meine eigenen Erkenntnisse anzuwenden:

Ehrlich und direkt

Ich bin richtig gut darin, Dinge direkt anzusprechen. Ich könnte auch sagen, ich bin keine Diplomatin. Ersteres klingt aber viel besser. Leider können trotzdem viele Menschen damit nicht umgehen. Ist das mein Problem? Nein! Denn die Alternative dazu, Dinge nicht anzusprechen wäre entweder alles durch die Blume zu sagen oder für immer zu schweigen.

Ersteres können viele Menschen – inklusive mir – nicht verstehen. Wirklich! Sag nicht: „Ich kann da nicht kommen, ich habe so viel zu tun!“ Wenn dich eigentlich etwas an der Veranstaltung stört. Wenn Du sagst: „Ich würde gerne kommen, aber das und das würde ich gerne anders machen!“ kann man das entweder ändern oder verstehen, warum du nicht kommst.

Bei zweiterem geht es vermutlich nur mir so, dass ich dann am Ende doch nicht wirklich schweige. Natürlich rede ich über Dinge, die mir nicht passen. Aber wenn ich das nicht mit den Betroffenen tue, dann mit allen anderen, die es hören wollen oder auch nicht. Die gehen dann übrigens zu der:m Betroffenen: „JEMAND findet übrigens, dass…“ Wisst ihr, wie geil solche Aussagen sind? Noch besser ist „ALLE meinen…“ oder „VIELE waren empört…“. Oft ist das übrigens auch ein Weg Dinge durch die Blume zu sagen. Übersetzt heißt das dann „ICH denke, dass…“

Wertschätzend

Ich bin erstaunt, wie leicht es ist, wertschätzend zu sein. Ich muss gerade beruflich sehr oft Texte korrigieren, also ständig Menschen kritisieren. Da ist es hilfreich, nicht nur Fehler zu markieren, sondern zwischendrin auch gute Passagen auch als solche zu benennen. Oft kritisiere ich die sprachliche Ebene, finde aber den Inhalt voll genial. Ich merke Texten auch an, wie Autoren an ihnen und vor allem dem Inhalt hängen. Dann ist es Wertschätzung, diese Emotion zu benennen: „Ich weiß, dir ist das wichtig, aber genau deshalb: Lass überlegen, wie das gut bei den Leser:innen ankommt!“

Ebenso gehört zur Wertschätzung, auf Beleidigungen zu verzichten, so sehr sie mir schon auf der Zunge liegen. Das hat dann nichts mehr mit Ehrlichkeit zu tun, sondern mit Respekt. Es ist nicht ehrlich jemand zu fragen: „Wie doof bist du eigentlich?“ Übrigens verstecken sich auch hinter manchem „Lob“ Beleidigungen. Das passiert immer dann, wenn ich mich mit dem Lob in eine Position erhebe, die urteilend über meinem Gegenüber steht. So als habe ich die Macht, ein Urteil über mein Gegenüber zu fällen. Auch hier hilft die alte Regel der Ich- oder Du-Botschaften. „Boah! MIR gefällt dein Kleid voll gut!“ ist besser als „Das Kleid steht DIR! Das macht DICH schlank.“ Ich hab mir ja die Formulierung meiner Jugendlichen geklaut: „Das feier ich voll ab!“

Übrigens, wenn ich mich bei einer Person bemühe und anstrenge, aber es fällt mir nichts ein, wie ich sie oder ihn wertschätzen kann ist das ein klares Anzeichen, dass hier irgendetwas richtig schief läuft und schon ganz schön im Argen ist (mehr dazu später). Es heißt nicht, dass ich zu blöd bin.

Selbstbewusst

Es bringt rein gar nichts, sich an Konflikten die Schuld zu geben. Ja, wir wissen, dass zum Konflikt immer zwei gehören und einer bin ich. Ich habe jedoch zu oft erlebt, dass meine Selbstzweifel und Unsicherheit dazu geführt haben, dass ich – teilweise durch Zwang von oben – klein beigegeben habe und meine Bedürfnisse einfach dauerhaft zu kurz kamen. Ich habe mich zu Handlungen überreden lassen, von denen ich nicht überzeugt war und nach denen ich mich richtig elend gefühlt habe. Das hat vielleicht einen Konflikt scheinbar gelöst. Die Atmosphäre im Gesamtsystem hat es meist dennoch weiter vergiftet und meine Motivation war meist schon längst abgereist. Ein Teufelskreis begann: Weniger Motivation bedeutet schlechtere Arbeit. Schlechtere Arbeit bedeutet unzufriedene Menschen um mich rum. Das führt zu Konflikten.

Natürlich irre ich mich und handle manchmal nicht fair. Deswegen habe ich jahrelang Supervision gehabt, war immer bereit, wenn Konflikte härter wurden, Mediation in Anspruch zu nehmen und habe bestimmte Freunde, die mich mit der Wahrheit konfrontieren dürfen. Diese Freunde wissen auch so ziemlich alles aus meinem Leben. Es ist gut, nicht gerade die harmoniesüchtigsten Menschen dazu auszuwählen.

Lösungsorientiert

Erwachsener Umgang mit Konflikten zeichnet sich dadurch aus, dass es um Lösungen geht, statt um Schuldzuweisungen oder die Frage, wer Recht hat. Oft haben beide Parteien Recht und es geht eigentlich nur um Geschmacksfragen. Da liebe ich ja demokratische Entscheidungen. Demokratische Entscheidungen bedeuten für mich übrigens, dass ich diese mittrage, auch wenn ich überstimmt wurde.

Lösungsorientiert ist es auch, wenn ich meine Meinung ändern kann. Wenn ich zugeben kann, dass ich etwas nicht weiß oder unsicher bin. Das braucht manchmal Mut und emotionale Kraft, aber wenn Entscheidungen aufgrund von falschen Annahmen getroffen werden, ist niemandem geholfen.

Es hilft auch zu einer Lösung, wenn ich klar Grenzen markiere. Wenn ich eine Entscheidung nicht mittragen kann, sollte ich das vorher sagen. Dann wissen alle, wenn diese Entscheidung fallen sollte, bin ich raus. Die Frage, welche Emotionen das auslöst, steht auf einem anderen Blatt. Eine potentielle Geschäftspartnerin sagte neulich in einer Sprachnachricht: „Bevor wir es zu billig machen, lieber gar nicht!“ Das war für mich sehr hilfreich. Ich wusste, was auf dem Spiel steht. Nachdem sie an vielen Punkten kompromissbereit war, war das nun ihre Grenze, die sie klar benennen konnte zu einem Zeitpunkt, wo noch nichts festgelegt war.

Kommunikativ

Wenn es um Konflikte geht, hilft reden, reden und nochmal reden. So nähert man sich dem gegenseitigen Verständnis. Das funktioniert aber nur in einer Umgebung, in der mir nicht jedes Wort auf eine Goldwaage gelegt wird oder noch besser völlig verdreht wird. Manchmal ist dieses Reden ein Stottern, manchmal mehr ein Fragen. Manchmal muss ich auch sagen: „Ich verstehe dich nicht!“ aber offenbare so auch dem anderen etwas von mir.

Viele empfehlen vor allem bei Funkstille den guten alten Brief. Schriftlich soll besser sein. Da hat man was in der Hand! Und gerade wenn es noch ein selbst geschriebener Brief ist. Der ist wertvoll, denn davon gibt es heutzutage ja nicht mehr viele. Außerdem kann man beim Schreiben noch einmal die Gedanken sortieren. Ja, das stimmt und ich glaube, es kann eine gute Form sein, wenn beide Seiten einander eigentlich gut gewogen sind. Manchmal hilft ein Brief auch, den man am Ende nicht abschickt. Aber man ist sortierter. Wenn der Konflikt schon halb dabei ist zu eskalieren, sind geschriebene Wort Gift. Sie werden auf jeden Fall gegen einen verwendet oder man versucht damit die eigentliche Begegnung zu vermeiden.

Ich habe viele Konflikt-Briefe bekommen, meist gepaart mit entweder der Weigerung, sich zu treffen oder der Erwartung, dass ich auf die Person zukommen soll. Keiner dieser Briefe hat einen Konflikt gelöst. Ich habe sie aufgehoben als Erinnerung an den Hass, der mir in meinem Leben begegnet ist. Ich habe sie immer wieder mal gelesen. Beim letzten Umzug hab ich sie alle vernichtet. Konflikt-Briefe, die nicht ehrliche Entschuldigungsschreiben sind, sind am Ende des Tages bürokratische, seelenlose Anklageschriften. Da hilft es dann auch nicht, wenn sie voller Ich-Botschaften sind. Bei Text kann ich nicht nachfragen, ich höre nicht die Stimmlage, ich sehe in keine Augen meines Gegenübers. Die Kommunikation ist weiterhin gestört.

Erwartungsvoll

Oft entstehen Konflikte, weil Erwartungen enttäuscht wurden. Erwartungen können vor allem dann enttäuscht werden, wenn sie nicht bekannt sind. Deswegen gilt auch hier: Sagen, was man will. Ich habe gehört, dass das in jedem Ehe-Berater steht. Mein Gegenüber kennt meine Erwartungen nicht. Manchmal weiß ich selbst gar nicht, was ich erwarte und merke das erst, wenn ich nicht bekomme, was ich eigentlich erwartet habe. Aber auch wenn es schon zu spät ist, hilft es immer noch, die Enttäuschung in Worte zu fassen. Vielleicht brauche das vor allem ich selbst, um zu verstehen, warum mein Gegenüber meine Erwartungen nicht erfüllt hat.
Sehe ich mich mit Erwartungen konfrontiert, die ich nicht erfüllen kann oder will, so ist es auch hier gut, das zu benennen. Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass da ein einfaches, gestresstes „nein!“ meist nicht reicht. Ich muss nicht mein ganzes Leben vor meinem Gegenüber ausbreiten, aber ich kann deutlich machen, dass ich die Erwartungen wahrnehme und den Wunsch dahinter verstehe. Ich kann meine Gründe darlegen und mich bei übergriffigen Erwartungen auch abgrenzen.

Begrenzt

Ja, Konflikte haben Grenzen. Man sollte nicht mit einer Armee in ein anderes Land einfallen und mit einem Atomkrieg drohen. Ach, du hast keine eigene Armee? Aber vielleicht erlebst auch du Konflikte, wo so ein Sprengsatz ganz schön praktisch sein könnte. Es gibt Konflikte, die lassen sich in dieser Welt nicht lösen. Das muss gar nicht mal an meinem Gegenüber liegen und ebensowenig an mir. Manche Systeme lassen es nicht zu, dass mein Gegenüber und ich zusammen hier sind. Lange Zeit war mein Desktophintergrund die Lebensweisheit „Sometimes, knowing when to walk away, is wisdom“ (manchmal ist es Weisheit zu wissen, wann man gehen muss.) Für mich hieß das: Viel zu viele Umzüge in den letzten Jahren.

Woher weiß ich, wann ein Konflikt nicht mehr lösbar ist? Ich glaube, da gibt es keine Checkliste für. Mir war immer wichtig, auch wenn ich zu meinen Sichtweisen stand, dem Gegenüber die Chance zu geben, mich zu verstehen. Meist kam es nicht dazu, weil Dinge nicht angesprochen wurden und ich nicht nach meiner Sicht der Dinge gefragt wurde. Wenn klar ist, dass man geht, dann löst sich übrigens auch kein Konflikt mehr. Denn dann lohnt es die Kraft nicht mehr. Dann gilt es, sich den Staub von den Füßen zu schütteln, wie Barnabas und Paulus in Apostelgeschichte 13,51 und weiter zu ziehen.

Gnädig

In den letzten acht Jahren haben mich Menschen bewusst und unbewusst verletzt. Ich wünsche mir manchmal heimlich, dass ein:e einzige:r von ihnen sich meldet, sich entschuldigt und zeigt, dass er oder sie versteht, warum ich damals getan habe, was ich getan habe.

Aber viel wichtiger ist, dass ich mich übe, diesen Menschen Gutes zu wünschen. Manchmal erfahre ich noch, was so mancher:m in der Zwischenzeit passiert ist. Manches bestätigt mich, manches macht mich traurig, manchmal kann ich mich mitfreuen.

Am allerwichtigsten ist in meiner kleinen Welt aber, dass ich mit mir selbst gnädig bin. In der Rückschau frage ich mich manchmal, warum ich nicht besser reagiert habe oder ich sehe manche Zusammenhänge in einem anderen Licht. Aber ich habe auch Mitleid mit der Berufseinsteigerin, die ganz schön hängen gelassen wurde.

Wenn ich überlege, wie Gott die Sache sieht, glaube ich auch, dass er vor allem das kleine Mädchen sieht, dass endlich lernen möchte, wie das mit dem Erwachsensein funktioniert und das aber vielen anderen Kindern begegnet, die selbst nicht so genau wissen, wie sie miteinander gut umgehen sollen. Und zu allen sagt er:

Lasst doch die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran. Denn für Menschen wie sie ist das Reich Gottes da.

Lukas 18,16

Anna (Twitter @pfarrertogo) war Pfarrerin, z.B. in Allstedt, zuletzt in Suhl, und arbeitet jetzt als Lektorin beim Neukirchner Verlag.

One thought on “Eigentlich logisch – Was tun bei Konflikten

  1. Ich habe Konflikte immer gehasst und tue das auch heute noch. Es hat wohl auch mit einem unsicheren Standpunkt zu tun, mangelnden Selbstwert. Danke für den Artikel

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