War der Krieg in Afghanistan gerechtfertigt?

Ein Jeep der Bundeswehr. Auf der Tür ist eine Deutschlandflagge und eine ISAF-Markierung.

Seit mehreren Jahrzehnten ist das Thema Afghanistan ein immer wiederkehrendes präsentes Thema in den Medien. Alles begann in den Jahren um 1979 mit dem Stellvertreterkrieg der damaligen UdSSR und den USA. Doch auch nach dem Rückzug der Truppen wurde das Thema immer wieder zum Diskussionsgegenstand.

Einer der Gründe hierfür ist vielleicht auch, weil es sich bei Afghanistan nicht mehr um einen „klassischen Staatenkrieg“ handelte.

„Alte Kriege“ sind meist relativ kurze, militärisch ausgetragene Kämpfe um Staatsgrenzen oder Macht, die unter dem Kriegsrecht, also nach Regeln, stattfinden. Es beginnt mit einer Kriegserklärung, verschiedene Staaten schließen sich an, die Heere treten gegeneinander an, bis einer kapituliert und die Friedensverhandlungen beginnen können.

Im Optimalfall wird das Kriegsrecht dabei auch nicht verletzt, das heißt es werden weder Zivilisten oder zivile Infrastruktur angegriffen noch die Kriegsgefangenen gefoltert. Das hat zwar bis jetzt noch nie so richtig funktioniert, aber zumindest haben alle Staaten der Genfer Konvention diese Grundsätze unterschrieben.

Im Gegensatz dazu stehen die neuen Kriege. Sie lassen sich nach Herfried Münkler, einem deutschen Politikwissenschaftler, durch drei Kriterien von den alten abgrenzen:

  • Privatisierung der Kriege: Damit ist gemeint, dass nicht mehr ganze Staaten gegeneinander kämpfen, sondern auch para- und substaatliche Akteure das Kriegsgeschehen beeinflussen .
  • Asymmetrierung der Kriegsgewalt: Asymmetrie ist der Normalzustand des Kriegs, da eine der Parteien der anderen immer überlegen ist. Durch das strategische Kalkül, wie beispielsweise gezielte Hackerangriffe auf die gegnerische Armee, können vermeintlich schwächerer Akteure eine Asymmetrierung herbeiführen und es entsteht eine ganz neue Art der Symmetrie.
  • Demilitarisierung: Der Verlust des Militärs als Monopolist des Kriegs und die Ausrichtung kriegerischer Gewalt nicht mehr auf militärische Infrastruktur, sondern auch auf die Bevölkerung, wie beispielsweise mit gezielten Terroranschlägen auf Zivilisten.

Der Afghanistan-Konflikt oder wann wird ein Krieg zum Krieg?

Insgesamt spielen all diese Kriterien eng zusammen und es ist generell schwerer zwischen Krieg und Frieden zu unterscheiden. Deutlich wird dies besonders an der steigenden Kriminalität der Kriege. Dies wird auch im Afghanistan-Konflikt deutlich.

Dieser wurde nämlich am 11. September 2001 durch einen Anschlag der Terrororganisation Al-Quaida auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington ausgelöst. Die Organisation wurde durch die Taliban, eine radikal islamistische Gruppierung in Afghanistan, unterstützt, indem sie beispielsweise den Anführer Osama bin Laden in ihrem Gebiet versteckten.

Daraufhin riefen die USA den NATO-Bündnisfall aus und startete am 7. Oktober eine erste Offensive in Afghanistan. Schon am 13. November gelang es ihnen, die Hauptstadt Kabul einzunehmen und auch die Taliban zurückzudrängen, jedoch nicht vollständig zu besiegen.

Ende 2001 wurde dann der internationale Schutztrupp (ISAF) gegründet und in Afghanistan stationiert, deren Kommando und Mission ab Juni 2006 von der deutschen Bundeswehr übernommen und fortgesetzt wurde.

Im Jahr 2002 gelang es unter der Führung Hamid Karzais eine Übergangsregierung aufzubauen, die dann im Oktober 2004 zu den ersten parlamentarischen Wahlen Afghanistans führten, bei denen Karzai zum Präsidenten gewählt wurde.

Zum Jahreswechsel 2014 auf 2015 endete die Kampfmission der internationalen Truppen und zurück blieben weniger Soldat*innen, um eine Nachfolgemission durchzuführen. Diese sollte nur zum Schutz der Bevölkerung und für den Wiederaufbau vor Ort bleiben. Doch schon bald begannen die Taliban wieder, vorzurücken. Dennoch sollten die verbliebenen Truppen bis Ende 2021 abgezogen werden, womit am 1. August 2021 begonnen wurde.

Doch schon am 5. August besetzten die Taliban Kabul und zwangen sowohl Soldat*innen als auch afghanische Ortskräfte zur ungeordneten Evakuierung. Am 31. August waren schließlich alle NATO-Truppen abgezogen und ein 20-jähriger Einsatz endete.

Doch war die Stationierung deutscher Truppen gerechtfertigt?

Es beginnt damit, dass der Bundestag den Einsatz für gerecht und notwendig hielt. Ansonsten wäre der Einsatz gar nicht zustande gekommen. Auch die UNO hat ihre Legitimation für den Einsatz der NATO ausgesprochen und damit besteht auf der rein rechtlichen und politischen Lage überhaupt keine Frage an der Rechtfertigung der deutschen Beteiligung.

Außerdem war der Einsatz eindeutig erfolgreich, da zumindest innerhalb dieser 20 Jahre Mädchen in die Schule gehen und später auch einen öffentlichen Beruf ergreifen durften. Es wurden Schulen, zivile Infrastruktur und eine demokratische Regierung erbaut. All das zeugt von der Notwendigkeit und Richtigkeit des Einsatzes.

Auf der anderen Seite steht das Leid, dass die NATO während der gesamten Zeit, die sie vor Ort aktiv war, nicht stoppen konnte. Sowohl für die Opfer, all die Zivilisten auf der afghanischen Seite als auch für die deutschen Soldat*innen im Einsatz. Außerdem ist viel Geld in den Einsatz geflossen, das vielleicht an anderer Stelle mehr hätte bewirken können.

Und nicht zuletzt zeugt die aktuelle Situation von ihrem Misserfolg. So sind nicht nur die Taliban wieder an der Macht und beginnen schrittweise mit der Unterdrückung der Menschenrechte – nein, auch die generelle Lage in Afghanistan hat sich verschlechtert. Auf der wirtschaftlichen Seite gibt es massive Einbrüche und ein Staatsbankrott droht. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass etwa 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Zusätzlich befindet sich Afghanistan in einer humanitären Notlage, die Analphabetenrate ist nach wie vor sehr hoch, die Schattenwirtschaft wächst und auch Korruption nimmt weiter zu.

War es all das wert?

Es darf nicht vergessen werden, was passiert wäre, wenn die NATO und somit Deutschland, nicht eingegriffen hätte. Die Situation würde um einiges schlimmer aussehen und es gäbe nicht mal diese eine Generation an jungen afghanischen Frauen und Männern, die vom Einsatz der Bundeswehr profitierten.

Deshalb würde ich insgesamt von einem gerechtfertigten Einsatz sprechen. Auch wenn viele Verluste zu beklagen sind, ist es doch insgesamt besser, für zwanzig Jahre zu unterstützen, als daneben zu stehen und zuzuschauen, wie die Taliban das Land in eine totalitäre, radikal islamistische Diktatur führen.

Ariane (17) legt gerade ihr Abitur ab. Sie liebt es zu lesen, zu schreiben und Zeit mit lieben Menschen zu verbringen. Der Artikel basiert auf einer Klausur im Fach Politikwissenschaft im April 2022.

(1) Herfried Münkler (2006): Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie.
Herfried Münkler (2002): Die neuen Kriege.

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