Zwischen den Jahren, zwischen den Krisen

Im Vordergrund steht ein Kelch mit geweihartigen Fuß und Kerzen auf dem Tisch. Im unscharf gehalteten Hintergrund sitzt eine Frau auf einem Sofa vor einer dunkelgrünen Wand.

Die Corona-Krise bereitet uns durch Lockdown, Quarantäne, Chaos und Unsicherheit Schwierigkeiten. Es ist bezeichnend, wie viele Menschen darunter leiden. Fast scheint es so, als hätten wir das Zuhausesein und das Gedankensortieren verlernt. Dabei zeigt ein heute fast vergessener Kalenderbrauch, wie viel geistliches Potenzial der Rückzug in die häusliche Stube haben kann. Wir möchten diesen Brauch wieder für uns nutzen, um geistig an diesem Einschnitt zu wachsen, und uns auf kommende Krisen besser vorzubereiten.

Rauhnächte

Die Idee der Rauhnächte reicht zurück in die Zeit, als man die Monate noch nach den Mondphasen bestimmt hat. Weil ein Jahr 12 Mondphasen umfasst, aber etwa 11,5 Tage kürzer ist als ein Sonnenjahr, zählen die 12 Tage/Nächte des Jahreswechsels nicht zum eigentlichen Jahr.

Doch viel interessanter ist, dass diese Zeit (oder besser Nicht-Zeit) früher zu einer sabbatlichen Ruhepause mit geistlichen Aktivitäten und Arbeitsverboten genutzt wurde – ein Brauch, der in den letzten Jahren, manchmal etwas esoterisch überformt, wieder in Mode kommt. Diese sabbatliche Ruhepause ist angedacht als eine Zeit von Ruhe und Besinnung, in der im Haushalt bereits alles gut aufgeräumt und vorbereitet ist.

„Aufgeräumt und vorbereitet“ heißt dabei nicht zwangsläufig „sauber und ausgemistet“ – der Frühjahrsputz kommt bekanntlich später. Das betrifft natürlich nicht den Müll der ollen Silvesterknallerei. Auch kennt man von der Fasnacht, die in dieser Zeit beginnt, zumindest die Maskenputzede. (Das Wort hat ursprünglich nur nichts mit Putzen zu tun, sondern mit dem Wort „Butzen“ für Wintergeister.)

Eine vollständige Anleitung der Rauhnächte stammt aus Island um 1200. Darin ist von 13 Tagen des Neujahrsfestes (Jól) die Rede, die aus 3 Festtagen, 4 Ruhetagen, und 6 Zwischentagen bestehen. Auf unseren heutigen Kalender übertragen entsprechen diese Festtage dem 25. Dezember sowie dem 1. und 6. Januar, während die Ruhetage vom 26. bis 29. Dezember andauern. In diesen 13 Tagen ist der Haushalt genau geregelt: Haustiere darf man versorgen, Vorräte sollen ganz genau für diese Tage angelegt werden (nicht sparen, aber auch nicht hamstern), und manche Tätigkeiten mit Symbolbedeutung sind ganz verboten.

Statt sich Alltagsdingen zu widmen, soll man träumen, beten, räuchern, meditieren, das alte Jahr reflektieren, aber auch vorausschauen auf das neue Jahr, durch Losewerfen oder dem genauen Betrachten der kommenden Kalenderzeiten.

Zeit für einen Bewusstseinswandel

Gerade Corona hat uns die Unplanbarkeit und Unberechenbarkeit eines solchen Jahres vor Augen geführt – und natürlich auch die Notwendigkeit eines Bewusstseinswandels. Es wäre sinnvoll, wenn wir als Christen einen solchen Wandel wieder anstreben würden. Nutzen wir die Neugeburt des Jahres gleichzeitig als eine Neugeburt des Bewusstseins und des göttlichen Bundes mit dem Menschen durch die weihnachtliche Gottesgeburt im Menschen. Es geht darum, Jesus in unser Haus zu lassen, in unser Leben zu lassen; das zu werden, was er ist, und wozu er uns bestimmt hat, damit wir auch durch künftige Krisen gehen und uns nicht fürchten vor den Bedrängnissen dieser Welt.

Das besonders mystische Johannesevangelium soll uns hier zu einer Anregung dienen. Es passt aus verschiedenen Gründen sehr gut ins Rauhnachtsbrauchtum, von denen einer sich auf die sieben Ich-Bin-Worte Jesu bezieht. Diese verbinden auf geniale Weise mythologische Bilder mit bedeutsamen Alltagsdingen, sie sind dabei „einladend und anspruchsvoll zugleich“ (Thomas Söding). Die Zahl Sieben entspricht dabei ganz genau den Feiertagen. Und tatsächlich passen ihre Aussagen auch chronologisch dazu, wie man diese Feiertage nutzen kann. Für die Zwischentage bleiben sechs weitere Tage, um über die eigene Identität in Gott nachzusinnen. Dies kann im Stillen geschehen durch Gottes pure Wirklichkeit, durch Fragen oder durch weitere Bildfelder, die aufgeworfen werden.

In der Abbildung findest du eine Übersicht über die Rauhnächte, und die Verse des Evangeliums, die man ihnen zuordnen kann (Material nach Söding und Arsfemina.de). Lasst uns in dieser Zeit darüber austauschen und von eigenen Erfahrungen berichten.

Neben den sieben Ich-Bin-Worten findet sich genauso häufiges absolutes „Ich-Bin!“ aus dem Munde Jesu. Das ist eine Anspielung auf die Offenbarung Gottes an Moses, wo es heißt: „Sage deinen Leuten, der Ich-Bin-Da hat mich gesendet.“ (Übersetzung nach Hubertus Halbfas; andere Übersetzungen: Ich-Bin-Der-Ich-Bin, Ich-Bin-Es, Ich-Bin-Gegenwärtig, usw.). Vergleichbare Formulierungen finden sich – mit den biblischen entstehungsgeschichtlich eng verwandt – auch in ägyptischen Offenbarungstexten, aber ebenso in indischen Schriften wie der Bhagavad Gita.

Aus dem mittelalterlichen Wales ist das Lied von Amergin überliefert, das ebenso wie das Johannesevangelium 14 Ich-Bin-Worte enthält, und zudem sechs göttliche Rätselfragen, die später durch Deutungen eines Mönchs und poetische Verse erweitert wurden.

In den nächsten Tagen werden jeweils Verse aus dem Johannesevangelium zwei zufälligen Versen aus dem Amergin-Lied gegenübergestellt und ergänzen sie dadurch vielfältig. An den Zwischentagen erscheint jeweils eine Rätselfrage.

Rauhnachtslosung für den 25. Dezember

Ich bin das Brot des Lebens. (Johannes 6,35, vgl. 6,41.48.51)

Gott spricht und sagt:
Ich bin eine Welle des Meeres (Deutung: Gewicht)
Ich bin ein Lachs im Teich (Deutung: Schnelligkeit)

Danielle und Felix sind Freunde, die sich im Studium kennengelernt haben und gerne über Gott und die Welt reden. Daraus ist letztes Jahr die Idee zu einem 12-tägigen Raunachtszyklus entstanden.

Über ihre Erfahrungen können sich Interessierte und Teilnehmende über Telegram (Einladungslink: https://t.me/+WRfg_S5CRyAYic1m) austauschen. Wenn Bedarf an einem direkten Austausch entsteht, laden die Autor:innen noch zu einer Onlinerunde ein. Du kannst deine Deutungen und Überlegungen auch als Kommentar teilen.

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