BGE auch für Sklaven
Du tust gerade so, als läge im Bedingungslosen Grundeinkommen die allein seligmachende Gnade, wird mir nach dem zweiten Teil der Reihe entgegen gehalten.
Das ist natürlich nicht so, und das hatte ich auch nirgends behauptet. Ich habe gesagt (und sage es gerne wieder), dass es unseren Blick frei machen wird für die wichtigen Dinge im Leben, weg vom Hamsterrad. Wir werden freiere Menschen werden, die nicht mehr jeden Drecksjob annehmen und sich von miesen Chefs alles gefallen lassen müssen, nur um die eigene kleine Existenz sichern zu können. Und auch die Sachbearbeiter:innen im Amt der Ämter haben nicht mehr so viel Macht über uns, wenn die Sanktionen uns ein kleines bisschen mehr egal sind. 1.000 Euro*) haben oder nicht haben, was das mit einem macht, ist keine Frage!
*) = Anmerkungen und Quellen findest du am Ende des Textes.
Alles arbeitslose Faulpelze?
Nach Zahlen von sanktionsfrei e.V. waren 2020 von 5,8 Millionen der H4-Bezieher ganze 76 % sogenannte Aufstocker*), das heißt, sie bezogen zusätzlich zu ihren Einkünften aus der Arbeitsstelle noch Hartz4, um die Kosten für ihr Leben zu decken. Von wegen, die Hartzer sind alles arbeitslose Faulpelze!
Und die Leute, die gar nicht arbeiten – ja, ein paar von ihnen sind arbeitslose Faulpelze. Ein paar haben Pech, dass sie nicht die Stelle finden, die ihrer Qualifikation entspricht. Ein paar haben leider keine Qualifikation oder nicht die richtige. Ein paar sind vorbestraft. Ein paar haben kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige und können ihre Tageszeit nicht zwischen den Menschen und einem Job aufteilen. Ein paar sind krank an Körper oder Seele. Und ein paar sind so alt, dass der Arbeitsmarkt sie nicht mehr will. Der Spruch „Wer Arbeit will, auch eine kriegt“ stimmt längst nicht mehr. Und man kann auch nicht alles erreichen, wenn man sich nur genug anstrengt.
Ich zum Beispiel habe mich sehr angestrengt, und was habe ich erreicht? Ich hab nicht den Traumjob, sondern einen Burnout bekommen. Ich sag dir, den wollte ich definitiv nicht haben.
Stell dir vor, wie nun das Leben einer der oben genannten Personen aussehen könnte, wenn sie jeden Monat zuverlässig 1.000 Euro dazu bekäme, einfach so, bedingungslos? Ob das neue Bürgergeld nun 472 Euro hat oder 50 mehr mit Gnade der Opposition*) – es gibt weiterhin Sanktionen und Pflichten und Regeln, und wenn du zu lange im Bürgergeld drin steckst, musst du auch irgendwann die Lebensversicherung auflösen oder dein Haus verkaufen, die deine Altersvorsorge sein sollten. Du hast dich dein Leben lang um alles gut gekümmert und klug vorgesorgt, damit du im Alter schön leben kannst und niemandem auf der Tasche liegst, und dann sowas! Plötzlich sitzt da jemand vor dir, der nichts mit dir zu tun hat, der nichts von dir weiß, außer dass du gerade keinen Job hast, und sagt dir, wenn du noch länger unsere Unterstützung haben willst, leg alles offen, was du hast, alle Konten, alle Einkünfte, alles Gesparte, Schmuck, den 911er, die Blaue Mauritius*), … und was du an Bargeld im Haus hast, möchten wir auch gerne wissen. Und wehe, du bekommst zum Geburtstag Geld geschenkt! Das musst du selbstverständlich auch angeben, es sind Einkünfte im weiteren Sinne.*)
Das Amt der Ämter hat übrigens Konteneinsicht. Das einzige, was es nicht greifen kann, ist dein Riesterkonto, pfändungssicher, etwas spießig-verstaubt – und ausschließlich deins.
Hätten wir das BGE, könnte das Amt die Leistungsabteilung wahrscheinlich schließen (außer für die paar Männekes, die selbst als Arbeitslose noch mit der Gerechtigkeit von „bedingungslos“ hadern) und sich mit ganzer personeller Kraft um die Jobvermittlung kümmern. Der/m einen oder anderen Sachbearbeiter:in würde das sicher auch gut gefallen.
Begehrlichkeiten und Gelüste
Es gibt da diese fromme Fangfrage, „Was, wenn du eine Million Euro hättest? Würde dein Leben sich ändern?“, auf die man als brave, christlich sozialisierte Jüngerin na-tür-lich! sagt, auf keinen Fall würde es das, ich habe Jesus im Herzen, was brauch ich Geld im Portmonee?
Aber seien wir mal ehrlich: selbstverständlich würde sich das Leben ändern mit so viel Kohle.
… Also, meins schon. Ich glaube nicht, dass mich ne Million zu einer egoistischen Hornochsin machen würde, aber entspannen würde sie mich sicher. Ich könnte mir eine neue Küchenmaschine kaufen, denn die alte läuft seit Jahren nicht mehr richtig. Ich müsste nicht meinen Freundeskreis für den nächsten Umzug bemühen, sondern könnte das von Profis erledigen lassen. Das Deutschlandticket wäre eine leicht getätigte Investition, keine, für die ich zwei Durchschnittsmonate sparsam leben müsste (oder wiederum den Freundeskreis bitten). Es wären mehr dieser kleinen Begehrlichkeiten erlaubt. Gegen Monatsende aufkommende Gelüste werden derzeit im Selbstgespräch meist mit „Haste Geld? Nein? Tja, dann nicht“ abgewürgt.
Begehrlichkeiten und Gelüste, du liebe Zeit! Als ob es dabei um den Hühnerhof meiner Träume gehen würde mit Dutzenden Krüpern und Bergischen Schlotterkämmen*) und je einem stattlichen Hahn, Wärmelampe für die Küken, Wildtierkamera, um das Aufkommen nächtlicher Neugiernasen im Blick zu behalten und so weiter und so fort! Nein, für den Anfang täte es auch eine einzige Hydrangea paniculata „Pink Diamond“*), da bin ich ja ganz bescheiden.
Immer noch H4?!
Hoppla. Hühner und Hortensien haben mich ein bisschen vom Thema abkommen lassen, man verzeihe mir.
Oben erwähnte ich das Hamsterrad und die Drecksjobs. Und in der Ausgangsfrage der Reihe ging es nicht um Vor- und Nachteile des BGE, sondern um die Frage, was Gott eigentlich über Armut denkt. Wenn wir nun mal Hamsterrad und Drecksjobs in die Zeit des Alten Testaments übertragen, braucht es nicht allzuviel Fantasie, um sie in der Nähe der Sklaverei anzusiedeln.
Wir sind körperlich frei, wir müssen nicht um Erlaubnis fragen, ob wir heiraten dürfen, aber unser Besitzer (setze Arbeitgeber oder Sachbearbeiter ein) entscheidet über unsere Arbeitszeiten, über unseren Urlaub, über das Geld, das uns zur Verfügung steht …
Da in unserem Land niemand zwischen Schule und Rente auf 7×7 plus ein Jahr Erwerbslebenszeit kommt, wären die miesen Arbeitgeber fein raus. Im Himmel wirds aber vorbei sein mit „fein raus“, das weiß ich ganz genau. Dann werden sich die Sachbearbeiter und Arbeitsvermittler und Chefs für jedes miese Verhalten und jeden Machtmissbrauch an uns verantworten müssen. Wobei – dann wird es mir egal sein, was mir auf Erden angetan wurde, ich werde stattdessen mit Jesus über Gartenkram reden*), glücklich im Hühnerhof sitzen und täglich ins himmlische Jerusalem reiten, um mein Halleluja zu singen.
Hortensien, Hühnerchen, Himmlisches Jerusalem und Halleluja – mit dem H4 wäre ich dann zufrieden. Versprochen.
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Quellen und Anmerkungen:
► 1.000€ = auch wenn die Berechnungsmodelle unterschiedlich sind und von 1.000 bis 1.200€ monatlich ausgegangen wird, nenne ich hier vereinfachend nur die 1.000 als Summe des BGE
► es ist nicht so, als würde ich all den Menschen aus der Opposition einen Burnout und Corona wünschen – Jesus ist auch für sie gestorben. Aber die Politik, die sie machen gegen die Ampelkoalition, die praktisch nur mit angezogener Bremse regiert … könnte k***en
► zu sanktionsfrei e.V.
► die Blaue Mauritius: Es gibt nur noch sehr wenige Exemplare dieser Briefmarke von 1847, entsprechend hochpreisig sind sie.
► Geburtstagsgeld: ein Amt hat tatsächlich mal so entschieden. Ich weiß aber nicht mehr wann und wo.
► Krüper und Schlotterkämme: Federvieh von der Roten Liste gefährdeter Nutztierrassen
► diese ganz bestimmte Hydrangea: seit langer Zeit eine der Lieblingsblumen, scheiterte bislang daran, dass ich keinen Platz im Garten hatte, siehe Foto oben
► kein Zufall, denk ich, dass ihn die Mädels am Ostersonntag erst für den Gärtner gehalten hatten: er hat ja den Garten Eden mitgestaltet, er ist vom Fach!
Julia geht schon länger damit schwanger, alte Nutztierrassen zu züchten, sie konnte sich bloß nie auf eine Tierart festlegen. Die Cotentin-Esel sind ja soo süß! Und das Rote Höhenvieh, ein sanftmütiges Dreinutzungsrind! Der Pinscher, nur optisch die Westentaschenausgabe des Dobermanns! Aber schließlich haben zwei von drei Hühnerrassen aus dem Bergischen Land gewonnen.
Nun muss nur noch „eigenes“ Land her, auf dem sie ihre Zucht anfangen will.
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Du siehst das alles ganz anders? Darfst du! Nimm dir ein rumliegendes Kommentarfeld und lass uns reden.