Als Stadtkind in der freien Natur

4 Mädchen von hinten stehen auf einer Wiese mit Blick auf Berge, Täler und Wolken. Sie tragen Rucksäcke und Isomatten auf dem Rücken.

Bande ist ein sehr vielseitiges Wort. Ich verbinde es immer mit menschlichen Beziehungen. Jeden Tag hat man mit Menschen zu tun, zu denen man unterschiedlich starke Bande hat. Die Familie ist das eine, aber sie kann ich mir nicht aussuchen. Freunde sind anders. Freunde sind Menschen, die ich mir aussuche, bei denen ich mich freiwillig dafür entscheide, Zeit mit ihnen zu verbringen und tiefgehende Beziehungen einzugehen.

Ein wichtiger Teil meines Lebens ist eine Freundesgruppe anderer Art: die evangelische Jungenschaft Wedding, kurz ejw. Dort treffen sich Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Hintergründen. Menschliche Beziehungen werden hier auf eine ganz andere Weise erlebt. Es gibt viele kleine Gruppen, die alle zusammen eine große Gemeinschaft bilden. Wir sind so etwas ähnliches wie Pfadfinder, aber es sind doch einige grundlegende Unterschiede zwischen einer Jungenschaft und den Pfadfindern. Wir haben beispielsweise keine richtige Hierarchie und man kann auch keine Abzeichen machen, um weiter aufzusteigen. Es geht eigentlich nur darum, Natur und Menschen auf einer anderen Ebene kennenzulernen.

Für Außenstehende kaum nachvollziehbar, ist die ejw etwas ganz Besonderes. Wo sonst wäre es möglich, dass Menschen mit einem Altersunterschied von zwanzig oder mehr Jahren gemeinsam eine wunderbare Zeit erleben? Natürlich hat jede:r seine/ihre Bezugspersonen und Menschen, die man lieber mag, aber dennoch sind wir eine große Gemeinschaft. Ich selbst mit meinen 17 Jahren bin schon in der Führungsebene der ejw und treffe mit älteren Menschen die Entscheidungen über die Zukunft der Jungenschaft.

Außerdem habe ich letztens erst meine eigene Gruppe aufgemacht. Zusammen mit einer Freundin im gleichen Alter bin ich für elf Mädchen im Alter von acht bis dreizehn verantwortlich. Ich bin übrigens sehr froh über diese Möglichkeit, denn die ejw ist etwas, das sich viele Kinder in der Großstadt gar nicht vorstellen können. Draußen unter dem Sternenhimmel auf dem Boden schlafen, eine Woche ohne Handy verbringen und es nicht einmal vermissen, am Lagerfeuer sitzen und gemeinsam bis morgens um vier Lieder singen… All dies sind Dinge, mit denen ich aufgewachsen bin und wofür ich unglaublich dankbar bin.

Insgesamt ist die ejw eine große Chance. Wenn ich sie nicht hätte, wäre ich ein ganz anderer Mensch geworden. Sie hat mir sehr viel Selbstvertrauen und Faszination für die Natur gegeben und eine Sicherheit, die alle Kinder erfahren sollten. Seit sieben Jahren sehe ich wöchentlich sechs andere Mädchen und unsere Leiterin. Sie sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben, auch wenn ich mit einigen von ihnen außerhalb der ejw kaum etwas zu tun habe. Ich vertraue jeder von ihnen bedingungslos und kann mir sicher sein, dass sie alle für mich da sind.

Ariane ist 17 Jahre alt und ist schon fast die Hälfte ihres Lebens in der ejw. Sie wohnt bei ihrer Familie in Berlin und ist gerade dabei ihr Abi zu machen.

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