Ja, wie gerne würde ich voller Leidenschaft loslegen, das entsprechende Kirchenlied zu singen, wenn diese drei Wörter in meinem Kopf loslegen. Dumm nur, dass sie das selten in der Adventszeit tun – sondern viel lieber, wenn im jährlichen Rhythmus Dummheiten auftreten, die mich erzürnen.
Weihnachten selbst gehört ganz zweifellos dazu. Gehypt als “das wichtigste Fest der Christenheit”, hat dieses Lichterkuscheln das Osterfest, bei dem es wirklich ums Eingemachte geht, mittlerweile mindestens auf Platz 2 verdrängt. Da ist es schon ein kleiner Trost, dass Weihnachten seit bald 400 Jahren eigentlich nicht mehr christlich ist, sondern längst vom spießbürgerlichen Kapitalismus übernommen wurde. “Last Christmas” sei kein Weihnachtslied? Doch, dessen Text entspricht genau dem sinnentleerten Kitsch mit einem Schuss Zeitbewusstsein.
“Giv os Jol tilbage” forderten deswegen schon die norwegischen Neuheiden vom Forn Siðr. “Gebt uns Weihnachten zurück, sonst werden Frau Holle, der Pelzmärte und die Luzie bald ausgestorben sein, weil sie es nicht in die Supermarktregale geschafft haben”. Jetzt mal egal ob man als Christ solche volkstümlichen Engel- und Heiligenkulte ignoriert, verachtet oder in die eigene Lebensgestaltung integriert (für all das gibt es Gründe) – es ist doch wirklich ironisch, dass ausgerechnet solche religiösen Kreise sich dem Kampf gegen den zeitgenössischen Götzendienst annehmen, denen man vor zwei Jahrtausenden noch das Festhalten daran vorgeworfen hat.
Immerhin haben uns die Norweger mittelalterliche Bräuche hinterlassen, mit denen sich die biblische Licht- und Offenbarungssymbolik des Johannesevangeliums wieder in die Weihnachtszeit holen lässt. Über die Rauhnächte auf Bibelstellen zu meditieren, die das Kommen Jesu im Fokus haben, war kirchengeschichtlich vermutlich bestenfalls noch zu Zeiten von Angelus Silesius im Trend. Aber dieser Trend sollte wieder stärker werden. Jedes Jahr an “Weihnachten” (wie man es leider immer noch nennt) verpassen Christen eine sehr große Chance, auf diese Missstände hinzuweisen (Röm1,22f.).
Stattdessen wird auf “Halloween” (wie man es leider immer noch nennt) herumgehackt, manchmal immerhin garniert mit lieblos herausgepickten Zitaten aus dem Buch Mose, egal wie schlecht übersetzt, verstanden, oder kontextualisiert diese werden. Dabei hat Halloween nach wie vor weder die gesellschaftliche Bedeutung noch das Ausmaß der Perversion wie Weihnachten. Liegt der Grund vermutlich darin, dass der Tod in unserem Zeitgeist als perverser aufgefasst wird als die Geburt? Dann könnte ich mir keinen besseren Stein des Anstoßes vorstellen.
Das Schreckliche, das Absurde und das Schöne gehören schon immer zum Evangelium. Sie finden sich in den Tagen um Ostern genau wie in denen um Allerheiligen. Ostern wirkt wie vieles heute kastriert. Der Karfreitag (in der noch das Schreckliche dominiert) hat ziemlich eingebüßt, das Osterwochenende mit Jesu Höllenfahrt, Auferstehung und Erscheinung (absurde Dinge für unser Denken!) werden brav an die schöne Zeit danach angepasst. Visionen reduzieren sich auf bunt bemalte Eier. Die sind schön, aber nicht alles.
Rein rational kann man das ja schon ein bisschen nachvollziehen, wenn mir Leute sagen, dass sie bei all dem Schrecklichen in der Welt nicht auch noch den Grusel an den Feiertagen brauchen. Emotional kann ich das dagegen gar nicht nachvollziehen. Schrecklich? Dann jetzt erst recht! Das bleibt jedem selbst überlassen.
Nur: Als nächstes wird vermutlich die Hölle ganz aus der Theologie gestrichen, weil man deren schreckliche Bilder den Glaubensgeschwistern ja nicht mehr zumuten kann. Manche US-Evangelikale wollen ja inzwischen schon entsprechende Bibelstellen zensieren, weil Teile von Jesu Aussagen ihren Egoismus gefährden („zu links“). Wenn sich das Evangelium so dem Zeitgeist beugt, wandere ich aus.
Man demonstriert dabei auch die eigene Inkompetenz und Manipulierbarkeit, wenn Behauptungen unhinterfragt übernommen werden, wie die freie Erfindung eines kinderfressenden Dämonen namens Samhain als angeblicher Ursprung der Festbräuche. Vor jenem warnte ein Verlag auch mal in einer Broschüre über die “Rückkehr der Kelten” (für mich als keltisch inspirierten Christ ja durchaus ein Kompliment, vielen Dank), der mir in einer anderen Publikation erklären wollte, dass die okkulten Zaubereien im Schamanismus (das eine hat mit dem anderen so viel zu tun wie Speiseölmühlen mit Erdgasförderung) für Autounfälle verantwortlich wären.
Hey, ich bin der letzte, der etwas gegen mittelalterliche Denkweisen hat – aber bevor wir wieder in einen so bescheuerten Aberglauben zurückfallen, könnten wir lieber mal darüber reden, welche spirituellen Schätze der Menschheit unserer Mission des Reich Gottes wirklich helfen. Spoiler: Hedonistische Sinnerfüllung durch Geld und Konsum ist es nicht.
Bekommen wir Weihnachten wieder in einen gesunden Rahmen? Lässt sich Halloween wieder mit Grablichtern statt Plastikkürbissen schmücken? Wird Ostern wieder das Hauptfest? Mir egal. Ausgewichen bin ich inzwischen ja auf Fronleichnam. Da kann ich mich ungestört dem Gedenken an die Verkörperung von Christus in uns konzentrieren. Jahreszeitliche Anstöße kriege ich durch das Maifest. Das hat als anderes keltisches Kirchenfest im Gegensatz zu Halloween weniger nervende Diskussionen. Und auch Pfingsten atmet zum Glück nach wie vor wenig vom Zeitgeist. Wenn deine Seele den Heiligen Geist atmet, vor welchen Geistern solltest du dich fürchten? Auch die von Allerheiligen dürfen gern in Frieden ruhen.
Von Felix Walz
noch gar nicht lange her, da wurde es in der Werbung fast täglich gesagt: „Ostern ist mehr als Eiersuche und Schokoladenhasen.“
und ich so, ja?! sagt es! was ist Ostern noch??
„Ostern ist auch die Erinnerung an gemeinsame Zeit.“
(oder so ähnlich, ich bringe es nicht mehr ganz zusammen. geworben wurde für Urlaubsbuchung oder Fotoalbum oder sowas weltbewegendes.)
hast es gut geschrieben, Felix Walz!