Wütend stapfe ich durch den Wald. Wie kann sie nur …? Warum macht sie immer wieder den gleichen Sch…? Mit jedem Schritt steigere ich mich in meine Wut rein. Oh, das tut gut, einfach mal den Frust rauslassen. Am liebsten würde ich laut schreien, aber das traue ich mich dann doch nicht, schließlich sind hier und da ein paar vereinzelte Spaziergänger zu sehen. Und dann fängt es an zu schneien.
Leise rieselt der Schnee auf die Bäume und Sträucher. Er rieselt auf mich und meine Wut. Langsam dämpft der Schnee die Welt um mich herum. Es wird still. Die Farben verblassen unter dem mächtigen grauen Himmel. Auch meine Wut bekommt einen Dämpfer.
Ich schaue mich um, wohin mich meine Füße getragen habe. Der Wald öffnet sich, still und starr ruht der See vor mir. Nur ein paar Enten drehen ungerührt ihre Runden auf dem See. Zu meiner Freude sind es Mandarinenten, meine Lieblingsenten. Mit ihren bunten Federn sehen sie aus wie geschminkt, als hätten sie sich für mich schick gemacht.
Ich atme tief ein und aus. Die Wut in mir schrumpelt zusammen. Jetzt merke ich, wie verkrampft ich war. Ich lockere meine Schultern. Das tut gut. Die Enten schwimmen weiter und ich schaue ihnen nach, bis sie zu kleinen Flecken auf dem Wasser werden.
Die Dunkelheit senkt sich über den See. Ich sollte mich auf den Rückweg machen. Befreit gehe ich den Waldweg entlang. Dort, wo schon Schnee liegt, knirscht es unter meinen Füßen. Ich liebe dieses Geräusch.
Inzwischen ist der Himmel dunkelgrau. Durch die Bäume sieht man die ersten Straßenlaternen. Das Licht strahlt zwischen den Bäumen hindurch und wird von den Schneeflocken an den Astspitzen reflektiert. So weihnachtlich glänzet der Wald schöner als jeder geschmückte Vorgarten.
Als ich den Stadtwald verlasse, umfängt mich eine tiefe Gelassenheit. Ich denke zurück an den Anlass für meinen Wutspaziergang, das Verhalten meiner Freundin. Ich nehme mir vor, nochmals mit ihr zu reden. An den Fenstern der Mietshäuser blinken bunte Sterne. Irgendwoher klingt Weihnachtsmusik, und ich kann nicht anders als vorhin mich hin zu summen: „Freue dich, Christkind kommt bald!“
Bettina hatte viel Spaß an dieser Schreibübung, bei der sie aus dem bekannten Weihnachtslied eine Geschichte gemacht hat.
Diese „Schreibübung“ ist eine gute Idee.
Und was für ein schöner Text dabei herausgekommen ist!
Man spürt richtig, wie sich die Wut auflöst und du aufatmest.
Wenn ich sauer auf jemanden bin oder mich verletzt fühle, verkrampfe ich mich schnell. Darum flüchte ich dann gerne nach draußen, wo mich frische Luft und Weite umgibt. Trotzdem kreiseln die Gedanken manchmal lange weiter.
Was hilft gegen kreiselnde Gedanken? Besonders auch nachts? Wer hat einen „Geheimtipp“?
Gegen nächtliches Gedankenkreiseln hilft es mir, ein paar Dinge aufzuschreiben. Dann kann ich mich besser lösen. Abendrituale, wie bestimmte Bewegungsübungen, Lektüre, Teetrinken o.ä.
Ach, übrigens: danke, Bettina, für deinen Tipp! Ja, schreiben hilft oft.
Bewegungsübungen: Yoga? Damit hab ich keine Erfahrung.
Aber heute Nacht, als ich lange nicht schlafen konnte, hatte ich eine Idee:
Ich tanze im Dunkeln! Ich habe dann ein spontanes Gebet gesungen und dazu getanzt. Nach kurzer Zeit wurde das Lied und der Tanz fröhlich und leicht.
Ich tanzte im Dunkeln, und in mir war Licht. So habe ich das empfunden, und das war ein ganz besonderes Gefühl.