1. Dezember – Friedliches Streitgespräch

Schneebedeckte Häuser in einem Tal, darüber ein blauer Himmel mit Wolken.

Foto: B.Kammer

Ich hatte das Glück dieses Jahr den ersten Advent in der Schweiz zu verbringen und noch mehr Glück hatte ich, dass just an diesem Wochenende der erste Schnee in der Gegend fiel. Mit ausgestreckter Zunge fing der Sohn meiner Freunde die herabtaumelnden Schneeflocken auf, später tollte er mit seiner Schwester durch den verschneiten Garten, wo sich die weiße Pracht schnell in braunen Matsch verwandelte.  Diese unbändige Freude über ein an sich banales Wetterphänomen teilen viele Menschen. Und selbst diejenigen, die den Winter nicht mögen, kündigen ihnen nicht die Freundschaft, nur weil sie den Sommer lieber haben.

Da saß ich nun in der warmen Stube, genoss meinen Tee und tauschte mich mit meinen Freunden aus, wie es uns die letzten Jahre ergangen ist, denn so lange haben wir uns nicht treffen können. Und natürlich bestimmte das leidige Thema Corona die Unterhaltung. Drei Personen, drei Meinungen zu Maßnahmen und Impfungen. Trotz der Differenzen setzten wir das Gespräch fort. Ich nehme Ängste wahr und das Gefühl abgelehnt zu werden. In sozialen Netzwerken würden sich schnell Hassbotschaften, Spott und Häme unter einem Corona-Post ergießen, egal wofür oder wogegen man ist. Doch wozu führt das? Zu einem Sinneswandel ganz sicher nicht! An diesem Adventssonntag passierte nichts dergleichen: Wir hörten einander zu, verurteilten nicht und ließen die andere Meinung zu.

Friedlich klang der Abend beim Raclette aus. Draußen verbreiteten die beleuchteten Holzhäuser im Schnee eine weihnachtliche Atmosphäre, schöner als jedes Bilderbuch. Für mein Empfinden war es fast zu schön, zu kitschig, aber diesen Gedanken schob ich weg und genoss die gemeinsame Zeit.

Bettina ist wieder zurück im nasskalten, grauen Berlin.

Gern kannst du ein Erlebnis, ein Gedicht, eine Bastelanleitung, ein Rezept oder eine andere Kleinigkeit für unseren Adventskalender beitragen. Schreib an: texte@korrektebande.de

Wie geht es dir in diesem pandemischen Zeiten? Wie weit reicht deine Toleranz? Was braucht es, um trotz gegensätzlicher Meinung im Gespräch zu bleiben? Wo ist für dich eine Grenze erreicht, ab der du andere abblockst? Bist du bereit, dich hinterfragen zu lassen?

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One thought on “1. Dezember – Friedliches Streitgespräch

  1. Auch Beziehungen sind in dieser schwierigen Zeit stärker gefährdet. Viele Menschen sind so verunsichert und empfindlich, weil sie die Situation so sehr überfordert. Schnell wird etwas persönlich genommen, es gibt Missverständnisse, man fühlt sich angegriffen.
    Ich bin heilfroh darüber, dass wir in unseren Beziehungen die Kurve wieder gekriegt haben und nicht auseinander gelaufen sind. Gerade jetzt brauchen wir doch vertrauensvolle Beziehungen.
    Es ist zwar wichtig, Missverständnisse zu klären, aber man muss nicht alles ausdiskutieren. Ich muss auch nicht „gewinnen“. Die Beziehungen sind wichtiger.

    Wenn aber jemand mit den neuen Feindbildern und Schuldzuweisungen kommt, versuche ich vielleicht noch ruhig und freundlich, etwas dagegen zu halten. Wenn ich merke, dass es nichts nützt, werde ich wahrscheinlich schweigen und auf eine bessere Gelegenheit hoffen. Ich möchte mich diesen Menschen gegenüber nicht ganz verschließen.

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